Stellen Sie sich vor, Sie bekommen in einem Haubenlokal einen ganzen Tag lang durchgehend die besten Köstlichkeiten aufgetischt – denn schließlich stehen da eine ganze Reihe von Expert:innen in der Küche, die alles, was Sie können und wissen und was in den Vorratskammern vorhanden ist, Ihnen auch vorsetzen wollen. Sie wären trotz ausgezeichneter Speisen und Getränke überfordert, könnten die Qualität der Gerichte gar nicht schätzen, wahrscheinlich würde Ihnen eher schlecht davon werden …
Genau das passiert oft, wenn Expert:innen die Aufgabe haben, Ihr Wissen weiterzugeben und das in zeitlich sehr eng bemessenen Online-Sequenzen: eine Überforderung der Teilnehmer:innen. Wohlgemerkt: Sie tun das in bester Absicht, mit voller Begeisterung für ihr Thema, oft mit fast schon missionarischem Eifer – aber die erhoffte Wirkung bleibt leider oft aus.
Rezept
Was tut also ein guter Koch/Gastgeber genauso wie eine gute Fachexpert:in:
- sich auf den Appetit und Erwartung der Gäste einstellen
- gut dosieren in kleine, gut verdaubare Portionen
- die Gustostückerl vorher aussuchen und attraktiv anrichten
- und alles so zusammenstellen, dass Gäste oder Teilnehmende gut gesättigt und zufrieden sind.
Wie das funktioniert? Dafür stellen wir Ihnen hier die besten Zutaten vor – damit Sie als Fachexpert:in ein Rezept für gelingende Fachtrainings zur Hand haben – gutes Gelingen!
Zielgruppenorientierung
Fachexpert:innen haben es als Referent:innen oder Trainier:innen nicht leicht. Sie haben sich jahrelang intensiv mit einem Thema beschäftigt, wissen um die Details, um die Möglichkeiten der Anwendung, um die Relevanz des Themas. Und dann, wenn Expert:innen ihr Wissen weitergeben sollen, fällt es ihnen besonders schwer, nur Bruchteile davon präsentieren zu können. Sehr oft versuchen sie, möglichst viel in kürzester Zeit unterzubringen.
Wie ein Haubenkoch in einem Menü nicht die gesamte Kochkunst zeigt, sollte man sich auch im Training die Auswahl an den Bedürfnissen der Gäste/Teilnehmer:innen orientieren.
Fachwissen vs. Zielgruppenorientierung
Unabhängig davon, ob Sie den Teilnehmer:innen Fertigkeiten, Fähigkeiten oder Wissen vermitteln: Ihr Erfolg wird daran gemessen, ob Teilnehmer:innen etwas umsetzen können, was sie zuvor noch nicht konnten oder das neu erworbenes Wissen anwenden können, wenn es wirklich gebraucht wird.
Ziel eines Trainings ist in allen Fällen: eine positive Veränderung.
Das können Sie nur dann erreichen, wenn Sie wissen, was das Ziel Ihrer Teilnehmenden ist, wozu sie das Gelernte verwenden wollen. Um in der Küchenmetapher zu bleiben: Für ein gutes Steak ist die Grilldauer relevant, das sollte der Gast wissen. Jedoch ist es nicht wichtig, über die Beschaffenheit des Grills, den physikalischen Vorgang des Grillens und die unterschiedlichen Kohlen Bescheid zu wissen. Wenn jemand aber einen Kochkurs zum Thema Grillen belegt, sind diese Informationen sehr wohl relevant und dies kann der Koch oder die Köchin sehr wohl detailliert ausführen.
Also: Wozu wollen Sie Ihre Teilnehmenden befähigen? Sollen Sie gut gesättigt werden, gerne wiederkommen und sich weiter für das Thema interessieren oder es selbst machen können?
Nehmen Sie in der Auswahl der Themen den Fokus der Teilnehmenden ein, finden Sie heraus, welcher Nutzen hier im Vordergrund steht.
Weiterführendes: 3 Siebe der Reduktion: https://erwachsenenbildung.at/aktuell/nachrichten/7688-siebe-der-reduktion.php (Dez.22)
Tipps zur Zielgruppenorientierung
Wenn es irgendwie möglich ist, versuchen Sie mit den Teilnehmenden schon im Vorfeld Kontakt aufzunehmen und Wünsche, Erwartungen, Anliegen und mögliche Einsatzgebiete des Erlernten abzufragen.
Vorabfragen
Wenn es irgendwie möglich ist, versuchen Sie mit den Teilnehmenden schin im Vorfeld Kontakt aufzunehmen und Wünsche, Erwartungen, Angliegen und mögliche Einsatzgebiete des erlernten abzufragen.
Priorisierungsabfrage
spätestens am Beginn ihrer Online-Session, stellen Sie die zu behandelnden Themen vor und lassen Sie die Teilnehmer:innen deren Interessensschwerpunkte priorisieren – z.b. durch ein Voting, eine Umfrage…
FAQs – frequently asked questions
zäumen Sie “das Pferd von hinten auf” und erarbeiten mit Ihren Teilnehmenden eine Liste von Fragen, die sich rund um Ihr Thema ergeben könnten – so erfahren Sie viel über die Umsetzungsrealitäten Ihrer Teilnehmer:innen
Quizzes, Umfragen
lassen Sie Ihre Teilnehmenden selbst Quizfragen, diverse Umfragen oder Aufträge für Gruppenarbeiten erstellen. So lernt man, wie die Teilnehmenden denken und hat den Spaßfaktor als Motivations-Booster gleich mit dabei.
Struktur
Lernen braucht Struktur – das gilt für selbstverantwortliches Lernen und im Online-Training ganz besonders. Und viele unserer Lernerfahrungen basieren noch auf dem Prinzip, dass während der gemeinsamen Lerneinheiten – ob in Präsenz oder online – alle Inhalte besprochen, gelehrt, erklärt und erarbeitet werden.
Doch moderne Lerntheorien und die sehr begrenzten Zeitfenster im Online-Training führen zu einem anderen Konzept von Lernstruktur:
Was muss im Online-Training passieren – und was kann ich gut aufbereitet schon vorher, dazwischen oder nachher zur Verfügung stellen?
Das Flipped-Classroom Prinzip
Der Name „flipped classroom“ kommt davon, dass die Idee auf den Kopf gestellt wird, dass alle Inhalte in der ohnehin kurzen gemeinsamen Trainings-Session präsentiert werden müssen.
Für Fachtrainings heißt das, alles, was sich die Teilnehmenden selbst aneignen können, wird ausgelagert. Dadurch wird in den Live-Online Sequenzen Zeit für das Üben, Austauschen, Diskutieren der Inhalte frei. Fragen können ausführlich beantwortet werden und das Spezialwissen der Fachvortragenden kann ausgeschöpft werden.
Vorab – well prepared
Vieles kann man schon zur Vorbereitung auf das Training tun:
- Modelle und Inhalte recherchieren
- eigene Vorstellung und Fragen hochladen,
- Umfragen beantworten und Unterlagen vorbereiten
- Interviews führen…
Und so wie sich Gäste über das Sterne-Restaurant, die Geschichte und den Werdegang des Kochs schon vorab informieren und daher mit freudiger Erwartung kommen, werden auch Ihre Teilnehmenden sich schon gut eingestimmt im Online-Training einfinden.
Live- Online: Gemeinsame Zeit nützen
Was soll und kann nur in der so wertvollen gemeinsamen Trainings-Session passieren? Üben, Austausch, konkrete Fragen, Fallbearbeitung, Tipps und Tricks aus Ihrem Erfahrungsschatz?
Das ist die Zeit, in der Sie Ihre Expertise wirklich zur Geltung bringen können, wo Sie Begeisterung bei den Teilnehmenden erzeugen und als Vortragende:r besonders wirksam werden können!
Dazwischen – trial + error
Viele Fachtrainings werden in modularer Form abgehalten. Also kann die Zeit zwischen den einzelnen Modulen genutzt werden für
- Umsetzungsaufgaben
- Erarbeitung einer Themenstellung, die dann im nächsten Modul präsentiert wird
- Austauschsequenzen mit anderen Teilnehmenden
- Erstellung einer Fragenliste für das nächste Modul
Denn auch im Restaurant müssen nicht alle Details, die für das Essen wichtig waren, am Tisch besprochen werden – wie z.b. die Einkaufsliste, der Vergleich der Angebote beim Großhändler, die Mengenangaben für das Menü usw.
Danach – Call to action
Die Transferphase ist bekanntlich entscheidend darüber, wie erfolgreich das Training – ob online oder als Präsenzveranstaltung – wirklich ist. Formulieren Sie also Ihren Call to action – also eine ganz klare Botschaft, was mit dem Gelernten, Erlebten, Geübten jetzt zu tun ist. Wie? Als
- klare Handlungsaufforderung
- ohne lange Vorbereitung ausführbar
- kurz und knackig formuliert
Hinweis: In den ACT-Unterlagen finden Sie eine Liste von solchen „Call-to-action“ Ideen, die Ihnen die Umsetzung erleichtern sollen!
Methodisch ist beim Flipped-Classroom Prinzip besonders zu beachten:
Alles was offiziell ausgelagert wurde, darf nicht 1:1 in den Online-sessions wiederholt werden, sondern nur zusammengefasst oder vertieft für Fragen. Sonst würde man sich den Effekt des selbstorganisierten Lernens zunichtemachen, die gewonnene Zeit wieder verlieren und sehr wahrscheinlich würden Teilnehmende sehr rasch ihre Aufgaben nicht mehr erledigen.
Selbstverantwortliches Lernen braucht Struktur – Lernende dürfen nicht überfordert werden oder sich allein gelassen fühlen. Daher sind Klartext in den Aufgabenstellungen und gut strukturierte Unterlagen ein Muss!
Lernmaterialien
Eine weitere Möglichkeit, Informationen auszulagern bzw. die Inhalte für unterschiedliche Lerntypen zur Verfügung zu stellen, sind die Lernmaterialien:
Online-Session / Präsentation: Gestalten Sie Ihre Präsentationsunterlagen so, dass diese durch eine gute Visualisierung in Erinnerung bleiben. Folien, die gleichzeitig Handout sind, können nicht gut sein, sie bieten entweder zu wenig Text, dann handelt es sich um ein schlechtes Handout oder zu viel Text, dann sind sie als Folie schlecht lesbar
Notizenansicht/Handzettel: Dienen als Information, werden oft als eine Art Stichwortzettel für den Vortragenden verwendet, können aber auch als Text an die Teilnehmenden ausgeteilt werden.
Skriptum: Enthält Details, Beispiele und Aufzählungen und dient als Ergänzung der Folien, die dadurch leichter lesbar und erinnerbar aufbereitet werden können
Lern-Plattform, Forum, Community: Grundüberlegung: Was ist wo gut aufgehoben? Welche Strukturen stehen mir als Trainer:in zur Verfügung? Welche werden auch von den Teilnehmenden gut angenommen?
Multimediale Inhalte: Bieten Sie auch Videos/ Podcasts an, so sprechen Sie unterschiedliche Lerntypen an.
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